Riesen auf dem Prüfstand

Mit dem modernen und flexiblen Allrad-Rollenprüfstand für landwirtschaftliche Fahrzeuge setzt Renk Test System GmbH (RTS) gemeinsam mit AGCO und HELUKABEL neue Maßstäbe.

So sehen die riesigen Stahlrollen bzw. Laufrollen des innovativen Rollen-Prüfstandes aus.
So sehen die riesigen Stahlrollen bzw. Laufrollen des innovativen Rollen-Prüfstandes aus. (© AGCO GmbH, Fendt)

Vier riesige Stahlrollen rotieren um die eigene Achse und lassen den darauf stehenden tonnenschweren Traktor federleicht aussehen: Dieses erste Bild vermittelt der modernste und flexibelste Allrad-Rollenprüfstand seiner Art. Im Prüfstand werden die Rollen durch das Fahrzeug angetrieben beziehungsweise gebremst, sie simulieren die Widerstände, die das Fahrzeug auf der Straße oder auf anderem Gelände überwinden muss. Es war ein ehrgeiziges Projekt, bei dem in nur 14 Monaten ein Prüfstand für AGCO am Standort Marktoberdorf (Bayern) fertiggestellt wurde. Schon lange waren die Verantwortlichen des amerikanischen Landmaschinen-Herstellers auf der Suche nach einem eigenen Prüfstand, der umfassende und reproduzierbare Untersuchungen der gesamten AGCO-Fahrzeugpalette auf derselben Anlage erlaubt.

Realitätsnahe Belastungszustände beispielsweise bei einem Traktor samt Anbaugeräten zu testen war bis dato mit kostspieligen, zeitintensiven Probefahrten im In- und Ausland verbunden. Zudem mussten einzelne Bauteile oft in einem Entwicklungsstadium detailliert untersucht werden, in dem das Gesamtfahrzeug noch nicht vollständig gebaut war – ganz abgesehen von Erwägungen zu Sicherheit und Geheimhaltung. Deshalb holte sich AGCO das Feld sprichwörtlich ins Labor. Das war allerdings gar nicht so einfach. Michael Gramlich, Leitung Elektrokonstruktion und Sicherheitstechnik bei RTS, erinnert sich: „Die Anforderungen für die Planung und Konstruktion des multifunktionalen Allrad-Rollenprüfstands hatten es in sich. Zum Beispiel sollten verschiedenste landwirtschaftliche Fahrzeugtypen mit ihren variierenden Radständen ohne nennenswerte Umrüstzeiten auf dem Rollenstand positioniert werden können. Zudem musste das Fahrzeug während des Prüfprozesses zugänglich sein.“

Traktor auf dem Prüfstand: Hier werden realitätsnahe Belastungszustände simuliert.
Traktor auf dem Prüfstand: Hier werden realitätsnahe Belastungszustände simuliert. (© AGCO GmbH, Fendt)

Außerordentliche Strombelastbarkeit

Der Aufbau der Anlage samt Verkabelung ist äußerst robust. Schließlich betragen die enormen Zugkräfte bei Testläufen von Landmaschinen im Dauerbetrieb bis zu 80.000 Newtonmeter je Rad. Und auch die Nachahmung typischer Traktor-Arbeitszyklen und dynamische Fahrversuche mit der Simulation unterschiedlicher Steigungen und Gefälle erfordern eine höchst stabile Konstruktion. Entscheidend für die Verkabelung des Prüfstands war vor allem eine hohe Flexibilität und – noch wichtiger – die Strombelastbarkeit. Michael Gramlich: „Die Motoren der Anlage arbeiten mit hohen Drehmomenten. Da gilt es, viel Strom zu übertragen. Deshalb haben wir zehn Kabelstränge pro Motor verlegt, mit einer Länge von je 60 Metern. Das Problem: Wenn man im Kabelkanal so viele Leitungen übereinanderlegt, entsteht Wärme. Das führt dazu, dass die Leistung sinkt und die Strombelastbarkeit abnimmt.“ Für den Prüfstand brauchte es also eine spezielle Isolation, die die höheren Temperaturen aufnehmen kann. „Und HELUKABEL war in der Lage, uns eine Lösung mit einer außerordentlichen Strombelastbarkeit anzubieten.“

Kleiner Querschnitt – großer Vorteil

Es gab aber auch noch eine andere Herausforderung: Die verschiedenen Fahrzeugtypen auf dem Prüfstand haben unterschiedliche Achsabstände. Mit jeder neuen Einstellung – täglich bis zu dreimal – werden die Kabel mit der Schleppkette mitbewegt. Sie müssen, wie der Prüfstand selbst, flexibel sein. Viele Standardleitungen haben wegen des hohen Strombedarfs der Anlage einen so großen Querschnitt, dass der für die Verstellbarkeit des Prüfstands erforderliche Biegeradius nicht erreicht wird. „HELUKABEL entwickelte für uns eine spezielle Leitung mit einem reduzierten Querschnitt und auch einem kleineren Außendurchmesser. So erhielten wir einen optimalen Biegeradius“, berichtet Gramlich und betont: „Das gibt es nicht aus dem Katalog.“ Die Reduzierung des Querschnitts um fünf Millimeter brachte aber noch weitere Vorteile, weiß Dominik Riedl, Gebietsverkaufsleiter bei HELUKABEL: „Unsere Leitung ist nicht nur platzsparend, sondern auch leichter und montagefreundlicher. So verringert sich zusätzlich der Personalaufwand bei der Verlegung. Möglich macht das die vernetzte Aderisolation, die eine höhere Betriebstemperatur am Leiter erlaubt.

Die gesamte Messtechnik inklusive aller Kabel befindet sich auf einer eigenen Etage.
Die gesamte Messtechnik inklusive aller Kabel befindet sich auf einer eigenen Etage. Die freie Zugänglichkeit erlaubt schnelle und komfortable Wartungsarbeiten. (© AGCO GmbH, Fendt)

Durch ihren robusten PUR-Mantel ist die Leitung zudem abriebfest und eignet sich daher perfekt für die Verlegung in der Schleppkette. Auch ist der Anschluss an den Motor mit nur wenigen Handgriffen möglich.“ All diese Aspekte spielten bei der gemeinsamen Planung mit dem Partner RTS eine Rolle. Im Ergebnis kam eines seiner leistungsfähigsten, flexibelsten und innovativsten Produkte zum Einsatz: TOPFLEX® MOTOR EMV 3/3. Die Zwei-Norm-Motoranschlussleitung für Frequenzumrichter mit dreifacher Abschirmung gewährleistet eine hervorragende elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) in Maschinen und Anlagen und erfüllt dadurch die geforderte Strombelastbarkeit. „Außerdem zeichnet sich unsere TOPFLEX® durch die Drittelung des Schutzleiter-Querschnitts und die gleichmäßige Verteilung in die Verseilzwickel der Leistungsadern aus“, beschreibt Riedl die besonderen Merkmale. Der 3-adrige symmetrische Aufbau von Starkstromkabeln ist für die EMV-Eigenschaften sehr vorteilhaft. Bei Frequenzen bis etwa fünf Megahertz heben sich unter symmetrischer Last die Magnetfelder der drei Phasenleiter gegenseitig nahezu auf.

Ingenieurskunst auf drei Etagen

Damit der Rollenprüfstand allen Anforderungen gerecht wird, musste die Frage nach dem Antriebskonzept für die Testläufe der Allrad-Riesen beantwortet werden und damit auch, in welchen räumlichen Dimensionen das Expertenteam von RTS zu denken hatte. Gramlich beschreibt die technischen Besonderheiten der Anlage: „Der Prüfstand basiert auf vier unabhängig bedienbaren Rolleneinheiten, auf denen das Testfahrzeug steht. Durch diese Flexibilität lassen sich wichtige traktortypische Verhaltensweisen des Fahrzeugs simulieren, wie etwa das Ackern auf feuchtem Untergrund.“ Für die Auslegung der AC-Motorenleistung mit jeweils 250 Kilowatt pro Rolleneinheit war die Möglichkeit zur Simulation des Arbeitszyklus „Pflügen“ unter voller Last und bei geringer Fahrgeschwindigkeit ausschlaggebend. „Immerhin entstehen beim Pflügen an jedem Rad enorme Zugkräfte, die wir problemlos abdecken und messen wollten.“ Um den Platzbedarf für den neuen Prüfstand zu reduzieren, gingen die RTS-Experten in die Höhe: Die Anlage auf dem AGCO-Gelände erstreckt sich über drei Stockwerke. Eines davon beherbergt fast ausschließlich die HELUKABEL Leitungen inklusive der flexibel einsetzbaren Schleppketten für die Antriebstechnik. Die freie Zugänglichkeit dieser „Kabel-Etage“ erlaubt schnelle und komfortable Wartungsarbeiten.

Einmalig und zukunftsweisend

Ein weiterer Clou: die neuartig konzipierte, etwa ein Meter breite und ergonomisch optimierte Arbeitsgrube. Sie ermöglicht direkte Anpassungen am Fahrzeug während des Testbetriebs ohne Zuhilfenahme der üblichen Steigeisen. Von hier aus lassen sich zwei stufenlos regulierbare Hydraulikzylinder zur Simulation zusätzlicher Achslasten von je zwei Tonnen praktisch ohne Umrüstzeiten am Fahrzeug positionieren. Stufenlos regulierbar sind auch die Laufrolleneinheiten selbst. Von 2.050 bis 6.000 Millimeter lassen sich die beiden vorderen Einheiten einzeln verfahren, sodass sämtliche Fahrzeugtypen aller AGCO-Marken ohne Umbauarbeiten auf den Laufrollen positioniert werden können. Für den bestmöglichen Grip und einen niedrigen Reifenverschleiß im Dauertestbetrieb sorgt die glatte Oberflächenbeschaffenheit der Laufrollen. Die Liste der einzigartigen Merkmale ließe sich fast beliebig fortführen. Mittlerweile gilt der Rollen-Prüfstand der AGCO-Corporation als Benchmark.

Die Prüfmeister

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RENK Test System GmbH mit Sitz im bayerischen Augsburg zählt zu den international führenden Lieferanten von kundenspezifischen Prüfsystemen für die Nutzung in Entwicklung, Produktion und Qualitätssicherung in nahezu allen Einsatzbereichen der Antriebstechnik. Die Wurzeln des seit 2004 selbstständigen Unternehmens reichen bis in die 1960er-Jahre zurück.

Mehr über RENK Test System GmbH erfahren Sie hier: RENK Website

Das Flaggschiff

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AGCO (Allis-Gleaner Corporation) ist eines der weltweit größten Unternehmen in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von landwirtschaftlichen Geräten. Mit bekannten Marken wie Challenger®, Fendt®, GSI®, Massey Ferguson® und Valtra® bietet die US-amerikanische Firma AGCO Landwirten aus über 140 Ländern Traktoren, Mähdrescher, Heu- und Futtermaschinen, Saat- und Bodenbearbeitungsgeräte, Systeme zur Getreidelagerung und Proteinproduktion sowie Ersatzteile.

Mehr über AGCO lesen Sie hier: AGCO Website

Dominik Riedl ist Gebietsverkaufsleiter bei HELUKABEL.
Dominik Riedl ist Gebietsverkaufsleiter bei HELUKABEL.
Michael Gramlich ist Leiter der Elektrokonstruktion und Sicherheitstechnik bei RENK Test System GmbH.
Michael Gramlich ist Leiter der Elektrokonstruktion und Sicherheitstechnik bei RENK Test System GmbH.
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